Die Festlegung des Umlageschlüssels in der Betriebskostenabrechnung

Im heutigen Beitrag unseres Kooperationspartners, Herrn Rechtsanwalt Matthias Radu,  geht es um Fragestellungen rund um den Umlagemaßstab einer Betriebskostenabrechnung im Mietrecht. Gerade hier kommt es immer wieder zu Streitigkeiten. Dass in diesem Bereich vertragliche Regelungen der gesetzlichen Wertung vorgehen, hat nun der Bundesgerichtshof klargestellt.



Die Festlegung des Umlageschlüssels in der Betriebskostenabrechnung

 

Neben der Frage, welche Betriebskosten überhaupt vom Mieter zu tragen sind und wie hoch die Kosten bei jeder Kostenposition sind, taucht in der Praxis immer wieder die Frage des vermeintlich richtigen Abrechnungsschlüssels auf. Hier gehen vertragliche Regelungen eindeutig vor. Erst durch die große Mietrechtsreform von 2001 hat der Gesetzgeber in § 556a BGB einen Auffangtatbestand geschaffen. Das bedeutet, dass vertragliche Vereinbarungen der Parteien der gesetzlichen Regelung vorgehen.

 

Haben  die Mietvertragsparteien hingegen nichts anderes vereinbart, greift die gesetzliche Regelung ein. Dann sind die Betriebskosten nach dem Anteil der Wohnfläche umzulegen. Betriebskosten, die von einem erfassten Verbrauch oder einer erfassten Verursachung durch die Mieter abhängen, sind nach einem Maßstab umzulegen, der dem unterschiedlichen Verbrauch oder der unterschiedlichen Verursachung Rechnung trägt. Seither wurde immer wieder strittig diskutiert, wie genau eine anderweitige Vereinbarung zu sein hat. Genau mit dieser Frage beschäftigt sich jetzt eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 05.11.2014 - VIII ZR 257/13).

 

Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Im Mietvertrag zwischen den Parteien war vereinbart, dass der Mieter eine Betriebskostenvorauszahlung zu leisten hatte, über die der Vermieter jährlich abzurechnen hatte. Mit der Abrechnung über die Betriebskosten der ersten Abrechnungsperiode sollte der Vermieter gemäß § 6 Ziff. 6.3 des Mietvertrags den „Umlageschlüssel nach billigem Ermessen“ festlegen. Die erste Betriebskostenabrechnung erfolgte im Juni 2010 für das Abrechnungsjahr 2009. Der Vermieter rechnete hinsichtlich der Kostenpositionen Kaltwasser, Abwasser und Müll nach der jeweiligen Anzahl der Personen im Haushalt ab. Für das Jahr 2010 ließ der neue Vermieter die Jahresabrechnung unter Verwendung des gleichen Umlageschlüssels erstellen. Der Mieter verlangte die Abrechnung nach dem für ihn günstigeren Wohnflächenschlüssel. Der BGH hat die vom Vermieter erstellte Abrechnung für formell und materiell wirksam angesehen. Der Vermieter habe sein in § 6 Ziff. 6.3 des Mietvertrags vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 wirksam für die zukünftigen Abrechnungen ausgeübt und auch ausüben dürfen. Die Betriebskosten mussten nicht nach dem Flächenschlüssel des § 556a BGB abgerechnet werden.

 

Vorliegend haben die Vertragsparteien mit der Regelung in § 6 Ziff. 6.3 des Mietvertrags wirksam eine andere Regelung des Umlagemaßstabs i.S.v. § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen, indem sie dem Vermieter ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen eingeräumt haben. Weder der Wortlaut noch der Gesetzeszweck von § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB stehen einer solchen Vereinbarung entgegen. Dem Wortlaut von § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts durch die Parteien unzulässig ist. Es handelt sich gem. § 556a Abs. 3 BGB auch nicht um eine halbzwingende Norm, da Abs. 3 ausdrücklich nicht für § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB gilt. Daher steht es den Mietparteien auch frei, anstelle eines konkreten Umlageschlüssels ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu vereinbaren. Dem steht auch nicht der Gesetzeszweck entgegen. Er bestand darin, Streitigkeiten über den richtigen Abrechnungsschlüssel in den Fällen zu vermeiden, in denen die Parteien gerade keinen Verteilungsmaßstab vereinbart haben. Nur in diesen Fällen kann § 556a Abs. 1 BGB lückenfüllend herangezogenen werden. Sofern die Mietvertragsparteien jedoch dem Vermieter durch eine entsprechende Vereinbarung das Recht vorbehalten, den Abrechnungsmaßstab einseitig nach billigem Ermessen zu bestimmen, nehmen sie das Risiko von Streitigkeiten über dessen Ausübung „sehenden Auges“ in Kauf. Die formularmäßige Vereinbarung eines solchen Bestimmungsrechts verstößt auch nicht gegen § 307 Abs. 2 BGB. Die Klausel entspricht den §§ 315, 316 BGB.

 

Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung entspricht der bisher schon in der Literatur vertretenen ganz herrschenden Auffassung. Wenn die Parteien ausdrücklich vereinbaren, dass der Vermieter den Abrechnungsschlüssel bestimmen soll, dann besteht gar kein Bedürfnis für die Anwendung des § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB als Auffangtatbestand. Die Billigkeit des Abrechnungsschlüssels kann dann nur im Rahmen der §§ 315, 316 BGB überprüft werden. § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB will nur die Fälle regeln, in denen die Parteien gerade gar keine Vereinbarung getroffen haben. Die Unsicherheit über den in diesen Fällen geltenden Schlüssel wollte der Gesetzgeber 2001 durch Schaffung der Vorschrift beseitigen. Mehr aber auch nicht.

 

Auswirkungen für die Praxis

In der Regel werden heute bestimmte Abrechnungsschlüssel vereinbart. Die Probleme tauchen hier immer dann auf, wenn der Vermieter in späteren Abrechnungen von diesen Vereinbarungen abweicht. Das ist regelmäßig ein materieller Fehler. Die Vereinbarung eines im freien Ermessen des Vermieters liegenden Schlüssels kann in den wenigen Fällen sinnvoll sein, in denen noch nicht abschließend abgesehen werden kann, welche Schlüssel mit anderen Mietern vereinbart werden. Da es für den Vermieter verwaltungsmäßig geboten ist, in allen Mietverträgen möglichst den gleichen Schlüssel zu vereinbaren, kann es hier einmal sinnvoll sein, sich die Entscheidung sozusagen vorzubehalten.

 

Grundlegendes

Anlässlich dieser Entscheidung sollen nochmals einige grundlegende Maßgaben zum Thema Betriebskosten-Umlageschlüssel aufgezeigt werden.

 

Eine Betriebskostenabrechnung ist fehlerhaft, wenn der Vermieter einen vertraglichen oder gesetzlichen Umlagemaßstab außer Acht lässt oder der Umlagemaßstab unverständlich ist. Während es sich bei Verwendung eines anderen als des vertraglich maßgeblichen Umlagemaßstabes nur um einen inhaltlichen Fehler handelt, weil der Mieter diesen durch Abgleich mit dem Mietvertrag unschwer feststellen kann, handelt es sich bei Unverständlichkeit des Umlagemaßstabes um einen formellen Mangel. Dann handelt es sich nicht mehr um eine Fehlerkorrektur, sondern um eine Neuvornahme. Bedeutsam wird dies insbesondere wenn die Abrechnungsfrist verstrichen ist.

 

Wird nach Wirtschaftseinheiten abgerechnet, so ist anzugeben, aus welchen Gebäuden mit welcher Gesamtfläche die Wirtschaftseinheit sich zusammensetzt, sofern sich diese Angaben nicht schon aus dem Mietvertrag ergeben.

 

Erfolgt ein Mieterwechsel innerhalb eines Abrechnungszeitraums, so muss der Vermieter eine Kostenabgrenzung zwischen Vor- und Nachmieter in zeitlicher Hinsicht vornehmen, sei es zeitanteilig, nach Verbrauchseinheiten auf Grundlage einer Zwischenablesung oder nach Gradtagszahlen.

 


Kommentar schreiben

Kommentare: 0